Sozialer Arbeitsmarkt im Kreis Unna: Freie Wohlfahrt fordert Nachbesserungen am Teilhabechancengesetz

09.10.2018

Als Sprecher der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Unna hat sich AWO-Geschäftsführer Rainer Goepfert mit einem Schreiben zum Teilhabechancengesetz an den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil,  gewandt. Hintergrund ist unter anderem der drohende Wegfall von Teilnehmendenplätzen in der Region.

Hier der Brief im Wortlaut:


Kreis Unna, 5. Oktober 2018

Anregungen zum Entwurf des Teilhabechancengesetzes

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,

die arbeitsmarktpolitischen Akteure im Kreis Unna, darunter insbesondere die Wohlfahrtsverbände, waren und sind bei der Umsetzung des Programms „Soziale Teilhabe“ deutschlandweit federführend. Gemeinsam mit dem Landrat des Kreises Unna, dem Jobcenter, den Vertreterinnen Vertretern aus Politik und Verwaltung wurde erkannt, dass das Programm ein effizientes Förderinstrument für langzeitarbeitslose Menschen ist und ein Einstieg in einen zu entwickelnden „Sozialen Arbeitsmarkt“ sein kann. Es ist langfristig angelegt und gibt den Menschen im Vergleich zu anderen Instrumenten einen Arbeitsvertrag und dadurch auch eine entsprechende Anerkennung. Deshalb wurde es im Kreis Unna intensiv umgesetzt, um viele langarbeitslose Menschen zu aktivieren.

Das gemeinsame Ziel aller Akteure im Kreis Unna ist es, die positiven Erfahrungen und diese geschaffene Struktur zu erhalten und unter den neuen Rahmenbedingungen des Teilhabechancengesetzes weiterzuentwickeln.

Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat sich daher intensiv mit dem vorliegenden Regierungsentwurf beschäftigt. Die Wohlfahrtsverbände begrüßen es, dass mit dem Gesetz ein neues Förderinstrument geschaffen werden soll, um auch Langzeitarbeitslosen eine gute und längerfristig angelegte Perspektive zu geben. Der Gesetzentwurf muss aber unter Berücksichtigung der folgenden Aspekte deutlich nachgebessert werden.

Zweckbindung der Mittel 

Die zusätzlichen Mittel in Höhe von vier Milliarden Euro, die für den Zeitraum 2018 bis 2021 im Eingliederungstitel für das neue Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ (§ 16i SGB II) vorgesehen sind, sollten entsprechend zweckgebunden sein und nicht für andere Förderinstrumente eingesetzt werden dürfen.

Zugangsvoraussetzung angemessen gestalten

Die Voraussetzung, von mindestens sieben Jahren Leistungsbezug im SGB-II, ist erheblich zu lang. Die Menschen dürfen nicht so lange warten, bis sie an diesem Förderinstrument teilnehmen können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Menschen, die mehr als zwei Jahre im Leistungsbezug sind, kaum ohne passende Förderangebote wieder in der Arbeitswelt Fuß fassen können.

Ausreichende Platzzahlen sicherstellen

Die prognostizierten 240 Stellen, die im Rahmen des neuen Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) auf den Kreis Unna entfallen sollen, sind bei weitem nicht ausreichend. Die Wohlfahrtsverbände sehen mindestens 600 Plätze als notwendige Platzzahl an, um den jetzigen Teilnehmenden, die auch nach dem 31.12.2018 Begleitung und Unterstützung benötigen, eine Perspektive zu ermöglichen. Das auslaufende Programm „Soziale Teilhabe“ hat den Bedarf nach einem solchen Förderinstrument für Langzeitarbeitslose in unserer Region deutlich gemacht. Hier weisen die Wohlfahrtsverbände auf die herausfordernde Situation im Kreis Unna und in den Kommunen des Ruhrgebiets hin. Das neue Gesetz muss vorsehen, dass alle Teilnehmenden des Programms Soziale Teilhabe in das neue Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ einmünden können, sofern weitere Stabilisierung und Begleitung notwendig ist.

 

Mit Arbeitsgelegenheiten und Lohnkostenzuschuss eine Förderkette schaffen

Es sollte geprüft werden, inwieweit eine Ausweitung der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II (aktuell rund 100 im Kreis Unna) dazu beitragen kann, Menschen mit den entsprechenden Voraussetzungen an den sozialen Arbeitsmarkt heranzuführen und sukzessive in das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zu übernehmen, sobald Platzkapazitäten frei sind.  Der Einsatz der AGH kann damit als erste Stufe einer Förderkette etabliert werden, die eine längerfristige und auch finanziell reizvollere Perspektive bietet. Mit einer Ausweitung kann so auch insbesondere neuen Personen der Eintritt in den sozialen Arbeitsmarkt im Kreis Unna ermöglicht werden.

Ferner sollte geprüft werden, inwieweit auch der Lohnkostenzuschuss nach § 16e SGB II (mind. 2 Jahre arbeitslos; 1. Jahr 75 % LKZ; 2. Jahr 50 % LKZ des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts) zur Ergänzung eines sozialen Arbeitsmarkt genutzt werden kann.

Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen bei der Förderung

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass es weiterhin Menschen geben wird, die aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen, z.B. wegen gesundheitlicher Einschränkungen, kaum in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Hier sollte im Rahmen der Gesetzgebung ermöglicht werden, im Einzelfall eine dauerhafte Förderung über die fünf Jahre hinaus zu gewähren.

Auch die strikte degressive Förderung entspricht nicht den unterschiedlichen persönlichen Leistungsmöglichkeiten. Ein Teil der Zielgruppe ist dauerhaft extrem leistungsgemindert. Die vorgesehene degressive Entwicklung des Lohnkostenzuschusses sollte dahingehend geöffnet werden, dass in Einzelfällen die Höhe der Förderung flexibel an den individuellen Voraussetzungen der Teilnehmenden ausgerichtet wird.

Coaching und die Personalentwicklung beim Anstellungsträger sicherstellen

Aus Sicht der Verbände gibt der jetzige Entwurf keine Klarheit, wie das erforderliche begleitende Coaching und die Personalentwicklung gestaltet werden soll. Hier muss klar geregelt werden, dass diese Aufgaben durch die Anstellungsträger organisiert und die Kosten entsprechend erstattet werden.

 

Umsetzung des Programms Soziale Teilhabe im Kreis Unna

In der Umsetzung des Programms Soziale Teilhabe ist der Kreis Unna mit 700 bewilligten Plätzen und aktuell 615 Teilnehmenden deutschlandweit führend. Rund 550 Plätze sind dabei durch die Wohlfahrtsverbände und ihre Mitgliedsorganisationen in unterschiedlichen Einsatzfeldern bereitgestellt worden, wie zum Beispiel: Kindertageseinrichtungen, Sozialkaufhäuser, Logistik & Transport, Tafeln, Radstationen, Offene Ganztagsschulen, kommunaler Ordnungsdienst, Natur- und Umweltschutz, Stadtbildpflege in den Kommunen, ökologische Unkrautbeseitigung, Busbegleitung, Eingliederungshilfe.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,

wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Anregungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen würden. Dieses Schreiben werden wir auch den Bundestagsabgeordneten im Kreis Unna, Herrn Oliver Kaczmarek und Herrn Michael Thews, zur Kenntnis weiterleiten.

Mit freundlichen Grüßen       

Rainer Goepfert

Sprecher der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Unna


 

Weitere Nachrichten

Meldung vom 01.07.2024
Ein Restaurantbesuch ist immer etwas Besonderes. Die Kinder in der Kita Stadtpiraten haben ihren Speiseraum nun in ein Restaurant verwandelt. Dazu haben sie sich gemeinsam mit dem Team überlegt, was man dazu alles braucht und den Raum entsprechend eingedeckt. Wir finden das Ergebnis kann sich sehen lassen. Super Aktion! weiterlesen
Meldung vom 29.06.2024
Alle unsere acht Lüner Kitas hatten in der vergangenen Woche zum Sportfest eingeladen. Eingeladen waren die Familien der Kinder soeiw alle Interessierten. An unterschiedlichen Stationen konnten die Beteiligten ihre Geschicklichtkeit testen. So gab es neben einer Hockeystation auch eine Wasserbombenstation sowie viele weitere Attraktionen. Alle Beteiligten hatten großen Spaß. Ein besonderer Dank gilt auch dem Sportverein Blau Weiß Alstedde für die Bereitstellung des Platzes.  weiterlesen
Meldung vom 28.06.2024
Rund zwei Monate hat unsere Kita Mullewapp auf Spielzeug in der Einrichtung verzichtet. Gemeinsam mit den Kindern und Familien hat man sich auf diese Zeit eingestellt. Im vorfeld zu diesem Projekt haben u.a. Infoabende für die Eltern stattgeufnden. So konnten Fragen geklärt werden und auf Wünsche eingegangen werden. weiterlesen
Meldung vom 27.06.2024
Unser Familienzentrum Haus der Kleinen Racker in Lünen hat sich die Gesundheitsförderung ganz groß auf die Fahne geschrieben. In diesem Zusammenhang hat ein großes Gesundheitsprojekt stattgefunden, bei dem Kinder und Eltern einbezogen wurden. Das Familienzentrum ist Kita mit Biss und hat bereits 2022 den Kita- Preis „Gute und gesunde Kita“ der Landesunfallkasse NRW gewonnen. Der Lionsclub Lünen unterstützt diese Bemühungen um das Wohl der Familien mit einem Scheck über 2100 Euro. weiterlesen
Meldung vom 26.06.2024
Ein Teil des Erlöses des Mühlenkalenders des Lionsclubs Lünen ging an unsere Kita Lummerland. Bei dem Mühlenkalender handelt es sich um den Adventskalender des Lionsclubs, der während der Adventszeit in unterschiedlichen Geschäften käuflich erworben werden kann. Nun gab es eine Spende in Höhe von 2.300€. Für das Geld sollen neue Fahrzeuge für das Außengelände und ein Kinderwagenunterstand gekauft werden. Die Freude bei den Kindern und Kolleg*innen der Kita war riesig. Herzlichen Dank an Herrn Brokemper, der die Spende persönlich überbrachte. weiterlesen
Meldung vom 25.06.2024
Zweimal im Jahr erscheint unsere Verbandszeitung, die "AWO für alle". Nun ist die Sommerausgabe endlich da. Es erwartet Sie ein bunter Mix aus spannenden Geschichten rund um unseren Verband. Das Leitthema der Ausgabe ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen das Thema Demokratie. Sie zu stärken ist unser aller Aufgabe. Hier geht es zur neuen Ausgabe.  weiterlesen
Meldung vom 25.06.2024
Nach der erfolgreichen Qualifizierung zur musikalischen Kita im vergangenen Jahr, hat sich das Team der Kita "Villa Kunterbunt" im Rahmen einer Teamfortbildung dazu entschlossen Ukulele zu lernen. So können die Kinder beim Morgenkreis musikalisch begleitet werden. Nach der Zeit des übens, fühlt sich das Team nun bereit, das ein oder andere Lied auf der Ukulele zu spielen. weiterlesen
Meldung vom 25.06.2024
Eltern und Kinder haben sich wöchentlich getroffen und haben mit den Rucksackbegleitern ein Sprachprogramm durchgeführt. Das Angebot hat großen Anklang bei den Familien mit Zweisprachigkeit gefunden und wird daher auch im nächsten Jahr wieder angeboten werden. Das Programm "Rucksack-Kita" ist ein Sprachförderprogramm was sich explizit an Kinder mit Deutsch als Zweitsprache richtet.  weiterlesen
Meldung vom 25.06.2024
Wie bereits im letzten Jahr, fand das Jahresabschlussfest der Maßnahme „Rucksack KiTa“ auf dem Gelände des Jugend- und Kulturhauses (JuK Haus) in Ahlen statt. Das Fest wurde von den Elternbegleiterinnen aus der Maßnahme gestaltet. „Wir sagen allen teilnehmenden Eltern, Kindern und Kitas danke für ihre Mitarbeit“, betonte die Elternbegleiterin Hafize Celik.weiterlesen
Meldung vom 21.06.2024
100 Millionen Menschen. Das ist die Zahl derer, die sich aktuell auf der Flucht befinden. Auf der Flucht in hoffentlich sicherere Gebiete, als die, die sie verlassen haben. Die Kunstaktion "100 Boote - 100 Millionen Menschen" soll genau darauf aufmerksam machen. Die über 100 gestalteten XXL Boote, die von AWO-Gliederungen deutschlandweit gestaltet wurden, wurden am 20.06 zum Weltflüchtlingstag im Berliner Lustgarten ausgestellt. Als Zeichen der Solidarität. Für Vielfalt und Demokratie. Auch unser Boot hat seinen Weg nach Berlin gefunden.  weiterlesen