Foto oben: Einen prall gefüllten Obstkorb als kleines Dankeschön an das Team im Haus am Wald für die Arbeit in Corona-Zeiten erhält (v. r. n. l.) Einrichtungsleiter Arthur Janitzek von Geschäftsführer Rainer Goepfert und AWO-Vorstand Marc Herter; mit ihnen freut sich Fachbereichsleiter Norbert Piening. (Foto: Malte Oppermann)
AWO-Sommergespräch: Wie Menschen mit Behinderung und Mitarbeiter*innen im „Haus am Wald“ die Corona-Einschränkungen meistern
Hamm. – Das Haus am Wald kannte Marc Herter schon, als es noch das Waldhotel war und er mit seinen Eltern hier im Hotelrestaurant Essen ging. Aber auch die weitere Entwicklung mit Übernahme durch die Arbeiterwohlfahrt hat der stellvertretende Vorsitzende der AWO Ruhr-Lippe-Ems stets verfolgt. Heute bietet das Haus Platz für bis zu 32 Menschen mit geistiger oder Mehrfach-Behinderung, die hier in Einzelzimmern wohnen. 35 Mitarbeiter*innen sind an der Forstlandwehr 34 in der Betreuung und Pflege tätig: Heilerziehungspfleger*innen, pflegerische Fachkräfte, Erzieher*innen, hauswirtschaftliche Mitarbeitende und Assistenzkräfte.
„Das Haus am Wald ist einerseits eine ältere Immobilie mit einem großen Investitionsbedarf“, ist sich der Hammer Landtagsabgeordnete bewusst. „Andererseits ist es ein Vorteil, dass es eine relativ kleine Einheit ist – ein Plus für die Bewohner*innen, dass die Mitarbeiter*innen so zugewandt sein können. So soll es im Sinne der Inklusion mit dezentralen Wohneinheiten bei der AWO weitergehen.“
Zum Haus am Wald gehört auch eine Außenwohnung im Hammer Zentrum an der Antonistraße, die im Mai trotz der Corona-Umstände neu bezogen wurde. In der dortigen Wohngemeinschaft trainieren drei Bewohner, selbstständig zu leben. Das Ziel ist es, die Kompetenzen für das alltägliche Leben zu erwerben und schließlich, wem es möglich ist, ins Ambulant Betreute Wohnen zu wechseln. Norbert Piening, Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe, unterstreicht: „Die Inklusion, die soziale Teilhabe ist uns wichtig: Hier haben die Menschen soziale Kontakte, hier leben sie im Hammer Zentrum mittendrin.“
Das Leben hatte sich komplett verändert
Oliver Wiegandt, stellvertretender Einrichtungsleiter und seit bemerkenswerten 23 Jahren Mitarbeiter im Haus am Wald, erzählt: „Zu Beginn der Pandemie war Beratungsarbeit an allen Ecken und Enden erforderlich. Die Menschen, die hier leben, machen das aber super – denn auch für sie hat sich das Leben ja komplett verändert wie noch nie zuvor.“ Einige Bewohner*innen mussten sich auch erst an die neuen Regeln gewöhnen – und die Mahlzeiten dann zeitweise statt im Gemeinschaftsraum im eigenen Zimmer einnehmen, weil sie sich an die zu dieser Zeit geltenden Auflagen, das Haus nicht allein verlassen zu dürfen, nicht gehalten hatten. „Diesen Umstand haben alle diese Bewohner*innen dann gut ertragen“, so Oliver Wiegandt. Natürlich waren auch Angehörige betroffen: „Es war anfangs hart, wenn jemand mit Kaffee und Kuchen vor der Tür stand – und mit Blick auf den Hygieneschutz alles wieder mitnehmen musste.“ Heute geht das wieder, und alle genießen die Lockerungen: „Wir machen ein Kurzscreening mit Fiebermessen, dann dürfen die Besucher die Bewohner*innen in ihren Zimmern besuchen“, schildert Oliver Wiegandt.
Arthur Janitzek, seit rund einem Jahr Einrichtungsleiter im Haus am Wald, berichtet; „Wir sind bisher Corona-frei geblieben, und das, obwohl die Bewohner*innen aufgrund ihres Alters in der Risikogruppe sind – ich bin den Mitarbeitenden für ihr umsichtiges Verhalten sehr dankbar.“ Der Einrichtungsleiter lobt auch die Zusammenarbeit mit der Heim-Aufsicht der Stadt Hamm: „Der Austausch in der Hochphase der Corona-Pandemie war sehr intensiv und gut.“ Auch Angehörige und gesetzliche Betreuer hätten vernünftig reagiert: „Wenn der Lockdown eben nicht nur in den Medien steht, sondern man einen persönlichen Bezug zu einem Menschen hat, der plötzlich in Quarantäne lebt, ist das noch mal was anderes.“
Mittlerweile dürfen die Angehörigen die Bewohner*innen auch wieder zu Ausflügen abholen, was das Team natürlich dokumentiert. Auch dürfen sie seit kurzem zum Beispiel am Wochenende wieder auswärts übernachten; die Verantwortung liegt hier, den aktuellen Bestimmungen entsprechend, bei den Familien. „Das entschärft die Lage im Haus auch ein wenig.“ Es gebe weiterhin volle Akzeptanz und die einhellige Bereitschaft, die notwendigen Hygienemaßnahmen mitzumachen: „Maske tragen, Abstand halten, die Hände desinfizieren: die Bewohner*innen kriegen das trotz geistiger oder psychischer Beeinträchtigung sogar alleine super hin. Und bei uns gibt es Gott sei Dank keine Verschwörungstheoretiker“, unterstreicht Arthur Janitzek.
Begleitung am Lebensende
Auch das Thema Pflege spielt im Haus am Wald aufgrund des hohen Altersdurchschnitts der Bewohner*innen eine große Rolle. „Auch Menschen mit Behinderung wollen im Alter so lange wie möglich zuhause bleiben“, sagt Rainer Goepfert. Arthur Janitzek pflichtet ihm bei und erzählt von einer Begebenheit rund um die Pflege am Lebensende: „Wir haben während des Lockdowns einen Bewohner auf seinen Wunsch hin beim Sterben begleitet.“ Der Senior hatte keine Angehörigen, dafür aber eine durchaus familiäre Anbindung ans Team: „Hier hatte er seine sozialen Beziehungen, hier war sein Zuhause“, beschreibt Arthur Janitzek, der auch berufliche Erfahrungen in der Intensivkrankenpflege hat. „Wir haben uns dann im Team zusammengesetzt. Alle waren dafür, ihn bis zum Schluss zu begleiten – gemeinsam mit dem Hausarzt und dem gesetzlichen Betreuer. „Hier bei uns hat er dann schmerzstillende Mittel erhalten und ist schließlich Ende April friedlich eingeschlafen“, so der Einrichtungsleiter. Das sei für die Mitarbeitenden eine Herausforderung, aber auch eine wertvolle Erfahrung gewesen, eine Bereicherung, die jede*n Einzelne*n weitergebracht habe.
Rainer Goepfert, Geschäftsführer der AWO Ruhr-Lippe-Ems, ist beeindruckt: „Das ist bemerkenswert – ein Stück Herzenswärme und Professionalität, auf das wir als AWO stolz sein können.“ Auch Marc Herter lobt das Team für dieses empathische Verhalten, zumal in der Krise: „Ich finde es beeindruckend, dass sich ein Team dieser Aufgabe stellt, das ist nicht selbstverständlich. Es gibt dafür nur ein Wort: Zuhause. Dass es eben keine klinische Einrichtung ist, sondern dass die Menschen am Ende des Tages in der AWO ein Zuhause haben.“
Herzblut und Engagement
Rainer Goepfert erläutert das Ziel der Sommergespräche: „Wir wollen wissen: Was sind die Themen, mit denen Sie sich vor Ort auseinandersetzen? Wo drückt der Schuh? Wie können wir unterstützen, damit Sie eine bessere Arbeit machen können?“ Der Geschäftsführer bekennt: „Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Handicap ist ein sehr wichtiges Feld, wir werden uns hier weiter engagieren. Ich bin beeindruckt und spüre, mit wieviel Herzblut und Engagement die Mitarbeitenden dabei sind. Wir haben hier ein tolles, junges und motiviertes Team mit hohem fachlichen Anspruch, das den Bewohner*innen Teilhabe ermöglichen will.“
Marc Herter blickt schließlich nach vorne: „Ich finde es toll, wie Sie durch die Krise steuern. Dadurch dass die Nachverfolgung im Haus am Wald immer gewährleistet ist, sichern wir die niedrigen Corona-Fallzahlen.“ Und schließt mit einem bildhaften Appell: „Auf dass der unsichtbare Gürtel der Fallzahlen eng geschnallt bleibe – alles mit dem Ziel, das Haus nicht wieder schließen zu müssen.“
Weitere Informationen über das Haus am Wald:
www.awo-rle.de/haus-am-wald
Das Haus am Wald der AWO an der Forstlandwehr in Hamm bietet bis zu 32 Menschen mit Behinderung ein Zuhause.
Freizeitaktivitäten sind Teil der individuellen Betreuung im Haus am Wald.
Das Fernweh ist in Corona-Zeiten natürlich besonders groß.
Arthur Janitzek
Einrichtungsleitung Haus am Wald