Frischer Nord-Wind

30.07.2020

Foto oben: Ein Obstkorb als Dankeschön für die Arbeit erhalten Larissa Reckels und Klaus Köller (2. v. l.) von Marc Herter (r.) und Rainer Goepfert (Foto: Malte Oppermann)

AWO-Sommergespräch: "Frischer Nord-Wind"

"Älterwerden in Hamm“: Seniorengerechte Quartiersentwicklung in Hamm-Norden

Hamm. – Im Frühjahr frisch gestartet und gleich ganz schön ausgebremst: Larissa Reckels ist Raumplanerin und hat durch Corona einen ganz anderen Jobstart gehabt als geplant. Im Stadtteilbüro Hamm-Norden ist sie seit Februar für die „Altengerechte Quartiersentwicklung“ zuständig. Im Gespräch mit AWO-Geschäftsführer Rainer Goepfert und AWO-Vorstand Marc Herter berichtet sie zusammen mit Stadtteilbüroleiter Klaus Köller über ihren Einstieg und die Auswirkungen der Pandemie auf die gemeinsame Arbeit.

„Während meines Studiums in Dortmund habe ich in einer Apotheke gearbeitet und hatte dadurch Kontakt zu vielen Senior*innen“, erzählt Larissa Reckels. Dadurch sei sie auf das Thema „Seniorenarbeit im Quartier“ gekommen. „In der Dortmunder Nordstadt habe ich dann studienbegleitend im Quartiersmanagement gearbeitet“, schildert die Quartiersentwicklerin. Nach Abschluss ihres Studiums dann der Einstieg im Stadtteilzentrum an der Sorauer Straße: Im städtischen Faltblatt „Älterwerden in Hamm“, herausgegeben im März, ist sie bereits als Ansprechpartnerin für das Quartier Hamm-Norden benannt.

Das städtische Handlungskonzept „Älterwerden in Hamm“ hat das Ziel, dass Senior*innen möglichst lange in ihrem eigenen Wohnumfeld eigenständig und selbstbestimmt leben können. Dabei sollen verschiedene Beratungs- und Unterstützungsangebote bei der Bewältigung des Alltags helfen. "Ich habe mich mithilfe von Klaus Köller mit dem Quartier vertraut gemacht und geschaut: Was ist bereits vorhanden? Welche Ressourcen und Akteure gibt es? Wo müsste man ansetzen, um das Quartier weiter zu entwickeln?" Auch Ärzte und Apotheken kontaktierte die 31-Jährige, die ein starkes Interesse „für die soziale Schiene“ mitbringt, wie sie erzählt. Mit den anderen Quartiersentwickler*innen überlegte sie dann zusammen, welche Ideen gemeinsam entwickelt werden können: „Wir haben feste Partner*innen in der Altenhilfe, sind hier als Tandem unterwegs. Aus dieser Kooperation gibt es zum Beispiel schon ein regelmäßiges Senior*innenfrühstück, wo ich mich vorgestellt habe. Da waren alle sehr interessiert zu erfahren, was da auf sie zukommt in Hamm-Norden", sagt die AWO-Mitarbeiterin.

Ganz schön durcheinander gewirbelt

In der Hammer Seniorenzeitschrift „Fenster“ und der Stadtteilzeitschrift „Nordwind“, die online veröffentlicht und im Norden an die Haushalte verteilt wird, waren bereits Artikel über die Arbeit der Quartiersentwicklerin erschienen. „Und dann kam Corona“, sagt Larissa Reckels, „und ich konnte mit einem Schlag keines der geplanten Angebote mehr initiieren, unsere Pläne wurden ganz schön durcheinander gewirbelt.“ Ursprünglich war als erste Aktion ein „Quartiersforum“ als Veranstaltung zur Bedarfserhebung geplant. Weil das Corona bedingt nicht mehr möglich war, gibt es jetzt einen schriftlichen Aufruf an Senior*innen im aktuellen Juli-„Nordwind“ mit Fragen wie: Was fehlt Ihnen im Norden? Welche Angebote wünschen Sie sich? Beteiligen können sich Interessierte persönlich im Stadtteilzentrum, telefonisch und per Online-Fragebogen.

Auch das vom Stadtteilbüro mit vielen Akteuren geplante Stadtteilfest musste ausfallen. „Mit Beginn der Corona-Pandemie haben wir dann eine Einkaufshilfe in den Quartieren organisiert“, erläutert Larissa Reckels. „Wir haben dazu aufgerufen, dass sich ehrenamtliche Helfer melden, und diese dann mit Menschen mit Unterstützungsbedarf zusammengebracht.“ Bei dieser Gelegenheit seien dann manchmal auch Wünsche für den Stadtteil genannt worden. Der Einkaufshilfe-Bedarf im Norden war allerdings nicht so groß wie in anderen Stadtteilen: „Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass es hier funktionierende nachbarschaftliche Strukturen gibt“, so die Quartiersentwicklerin.

Klaus Köller bestätigt: „Selbst in den Wohnsiedlungen, wo man denken könnte, dass es viel Vereinsamung gibt, klappt vieles bereits recht gut: Eine Gruppe von Seniorinnen gleicher Herkunft organisiert sich zum Beispiel selbst und pflegt gute Kontakte in die Nachbarschaft.“ Der Leiter des Stadtteilbüros benennt aber auch Herausforderungen wie die Offenheit für Menschen anderer Herkunft. „Und das Älterwerden von Migrant*innen ist ein Feld, das wir in Zukunft noch stärker bearbeiten müssen, darüber haben wir noch zu wenig Erkenntnisse.“ Zudem gebe es Initiativen von und für ältere Menschen im Stadtteil, die teilweise gar nichts voneinander wüssten. „Diese müssen wir noch stärker miteinander vernetzen - sobald die Veranstaltungen wieder laufen, das ist Corona bedingt noch immer eine schwierige Situation. Manches funktioniert doch am besten im persönlichen Kontakt, von Angesicht zu Angesicht", so Klaus Köller.

Digitalisierung: Jung hilft Alt

Oft wären aber auch digitale Hilfsmittel nützlich: „Durch die Corona-Krise ist sehr deutlich geworden: Wir müssen in Sachen Digitalisierung viel mehr machen, um Kontakte aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel die älteren Mitbürger*innen im Umgang mit Tablets und Smartphones schulen, damit sie Videotelefonie, E-Mails und Messenger nutzen können“, meint Larissa Reckels. Sie will sich darum jetzt um Stiftungsmittel bemühen, um Tablets anzuschaffen und dann mit Hilfe von Ehrenamtlichen entsprechende Kurse anbieten. „Da gibt es in anderen Quartieren schon Erfahrungen, wo sich getreu der Devise ‚Jung hilft Alt‘ Studierende engagiert haben“, berichtet sie. Marc Herter stimmt ihr zu: „Ja, solche technischen Hilfen sind eine gute Möglichkeit für die Community, gemeinsam älter zu werden – auch in der Krise kann man sich dann zumindest elektronisch begegnen.“

Kontakte gibt es natürlich auch zum AWO-Altenheim am anderen Ende des Quartiers. Klaus Köller sieht Larissa Reckels und sich im Auftrag der Stadt als Moderator*innen für den Stadtteil. Ab August wird Larissa Reckels zusätzlich die Quartiersentwicklung für Senior*innen in Hamm-Herringen übernehmen. „Da ist die AWO reihum mit der katholischen und der evangelischen Kirche Gastgeber des Senior*innen-Frühstücks“, weiß AWO-Vorstand Marc Herter. Er unterstreicht: „Es ist in den Stadtteilen wichtig, über die vielfältigen, unterschiedlichen Zugänge Kontakt zu den älteren Mitbürger*innen herzustellen und so möglichst viele Menschen zu erreichen.“

Geschichtentelefon mit Senioren-Rap

Trotz aller Bemühungen gibt es gerade in der Krise viele ältere Menschen, die sich einsam und isoliert fühlen. „Unser neues Geschichtentelefon soll da helfen. Senior*innen können eine Hotline zum Ortstarif anrufen und sich dann verschiedene Beiträge anhören: Erzieher*innen und Kindergarten-Kinder, aber auch Senior*innen aus Hamm erzählen hier Geschichten und tragen Lieder vor. Autorin Ursula Halbe hat einen selbst verfassten Rap beigesteuert: „Durch den Kontakt mit Frau Halbe ist daraufhin die Idee entstanden, ein generationenübergreifendes Projekt zu entwickeln: Senior*innen und Jugendliche aus dem Hammer Norden rappen künftig gemeinsam“, berichtet Larissa Reckels.

Denkbar wäre aus Sicht von Larissa Reckels auch Kriminalprävention, zum Beispiel durch Aufklärung zum so genannten "Enkeltrick"-Betrug. Oder auch Sportangebote, um mobil zu bleiben im Stadtteil. „Als Raumplanerin schaue ich mir natürlich auch die baulichen Strukturen an, dass zum Beispiel die Bürgersteige mit Rollatoren gut begehbar sind", sagt die Quartiersentwicklerin. Und nicht zuletzt will sie bald Kontakt zu Wohnungsbaugesellschaften aufnehmen. Marc Herter findet das sinnvoll: „Städtische Wohnungsbaugesellschaften sind immer auch Quartiersgesellschaften, idealerweise mit einer hohen Zugewandtheit zu den Menschen – die sich tatsächlich deutlich mehr ins Quartiersmanagement einbringen sollten.“

Aktiv bleiben im gewohnten Umfeld

Rainer Goepfert pflichtet ihm bei: „Quartiersentwicklung ist für die AWO als soziale Dienstleisterin eine wichtige Aufgabe. Mit unseren Angeboten wie dem Quartiersmanagement oder der ambulanten Pflege können wir mit dazu beitragen, dass Jung und Alt gerne in ihrem Stadtteil zusammenleben. Unsere Arbeit schafft auch gute Voraussetzungen für ältere Menschen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen. So können sie auch weiterhin aktiv in ihrem gewohnten Umfeld bleiben“, so Rainer Goepfert.

Marc Herter ergänzt: „Wir haben in Deutschland oft die perfide Situation, dass mit dem Bildungsgrad und höherem Einkommen das Lebensalter steigt, dass also Bildung und Einkommen ein langes Leben sichern.“ Der AWO-Vorstand fordert mit Blick auf die sozialen Strukturen in den Stadtvierteln: „Darum brauchen wir auch weiterhin eine gute Entwicklung in den Quartieren, um allen Menschen beste Chancen zu ermöglichen.“

Kontakt:
Stadtteilbüro Hamm-Norden, Sorauer Str. 14
Larissa Reckels, Altengerechte Quartiersentwicklung
Tel. 0173 2579770, reckels@awo-rle.de
www.hammer-norden.de/akteure/seniorenarbeit-im-hammer-norden

 

Foto: Larissa Reckels (Foto: privat)

 

Foto: Klaus Köller (Foto: privat)

 

Foto: Das Stadtteilzentrum Hamm-Norden an der Sorauer Straße (Foto: Stadtteilzentrum Hamm-Norden)

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