Flüchtlingshilfe der Wohlfahrt vor dem Aus! NRW Flüchtlingsministerium gefährdet unabhängige Flüchtlingsberatung

09.10.2020

Kreis Unna. Werner Beuckelmann von der AWO Ruhr-Lippe-Ems arbeitet seit November 2015 als Jurist in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für geflüchtete Menschen in Unna. Gemeinsam mit seiner Kollegin Samia Sobhi und den Mitarbeiterinnen der Diakonie Mark-Ruhr, Irma Senning und Malika Kahihli, ist er für die soziale Beratung zuständig. Dabei stehen sie den Geflüchteten ab dem Tag der Zuweisung für die gesamte Dauer des Asylverfahrens mit Rat und Tat zur Seite. Die Mitarbeitenden der AWO und der Diakonie geben Hilfestellung beim Umgang mit den Institutionen und bei der gesellschaftlichen Orientierung.

„Die Kolleginnen und Kollegen sorgen mit ihrer Arbeit für faire Asylverfahren und eine rasche aufenthaltsrechtliche und soziale Integration“, betonen Rainer Goepfert, Geschäftsführer der AWO Ruhr-Lippe-Ems und Pfr. Martin Wehn, Geschäftsführer der Diakonie Mark-Ruhr, die Bedeutung der sozialen Beratung für Geflüchtete. AWO und Diakonie beschäftigen 6 Mitarbeitende in der sozialen Flüchtlingsberatung im Kreis Unna.

Die Wohlfahrtsverbände im Kreis Unna sind daher umso erstaunter, dass die Landesregierung über Nacht die Förderung ab dem kommenden Jahr einfach um mehr als 25 % kürzt. Bisher konnten für eine Vollzeitstelle bis zu 71.000 Euro an Brutto-Personalausgaben beantragt werden. Für das Jahr 2021 hat das Land die maximale Förderung auf 53.100 Euro begrenzt. Als Grundlage gilt zudem zukünftig eine Wochenarbeitszeit von 39 Stunden und 50 Minuten. Faktisch beträgt die neu vorgesehene Förderhöchstgrenze bei einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden, wie sie bei den allermeisten Trägern laut geltendem Tarifrecht vorgesehen sind, nicht einmal mehr 52.000 Euro. Das entspricht einer Kürzung von über 19.000 Euro bzw. 27 % pro Vollzeitstelle. „Diese Förderung entspricht nicht annähernd den Qualifikationen, der Arbeit und der aktuellen tariflichen Bezahlung der dort tätigen Mitarbeitenden. Das weiß die Landesregierung auch aus den jährlichen Verwendungsnachweisen.“, betonen die Geschäftsführer der beiden Verbände. „Die Träger müssten einen deutlich erhöhten Eigenanteil für eine öffentliche Aufgabe aufbringen, den sie nicht leisten können.“ Alle Verbände prüfen daher gerade, ob eine Fortführung der sozialen Flüchtlingsberatung im kommenden Jahr überhaupt noch möglich ist.

Kein Verständnis haben die Wohlfahrtsverbände für den Umstand, dass die Spitzenverbände der freien Wohlfahrt nicht nur nicht in die Entscheidungsprozesse eingebunden wurden, die schließlich zu den neuen Richtlinien führten. Vielmehr sind erst jetzt die Informationen über die Neuerungen bekannt gegeben worden, so dass u. a. arbeits- und tarifrechtlich vorgeschriebene Fristen (z. B. Anhörungs- und Kündigungsfristen) nicht mehr eingehalten werden können.

„Wir empfinden die Vorgehensweise der Landesregierung als massiven Vertrauensbruch. Dieser schmerzt uns auch deshalb besonders, weil wir uns als Wohlfahrtsverbände gerade in schwierigen Zeiten und Krisensituationen immer als verlässlicher Partner erwiesen haben. Zum Beispiel bei den zahlreichen Hilfs- und Unterstützungsleistungen in Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung 2015“, äußert sich Rainer Goepfert sichtlich enttäuscht. „Auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie waren unsere Mitarbeitenden durchgängig in der Landesunterkunft präsent“, betont Martin Wehn. „Das ist kein fairer Umgang mit den Verbänden und vor allem nicht mit den engagierten Kolleginnen und Kollegen“, sind sich die Geschäftsführer einig.

Die Wohlfahrtsverbände haben sich heute auch mit einem offenen Brief an die heimischen Landtagsabgeordneten gewendet und um Unterstützung gebeten, um die vorgesehene Richtlinie doch noch zu verändern und die bisherige gute Arbeit fortsetzen zu können.

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