Zum Internationalen Tag gegen Rassismus im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus erklärt Anke Peters von der AWO-Integrationsagentur Ahlen und Einrichtungsleitung der Migrationsdienste der AWO Unterbezirk Ruhr-Lippe-Ems, warum der Kampf gegen Rassismus in Zeiten der Pandemie besonders wichtig ist.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf rassistische Tendenzen in der Gesellschaft? Was hat sich konkret verändert?
Wir haben in unserem Arbeitsbereich festgestellt, dass sich der bereits vorhandene Rassismus im privaten wie öffentlichen Raum durch die Corona-Pandemie verstärkt hat oder anders zu Tage tritt. Manche Medien heben in Bezug auf die Infektionsverbreitung bestimmte Gruppen, wie Menschen mit Zuwanderungsgeschichte hervor. So werden z.B. durch das Titelbild des Spiegels vom Februar 2020 „Made in China“ oder durch die Berichterstattung der BILD im März 2021 über Aussagen des RKI zum hohen Anteil von Intensiv-Patienten mit Migrationshintergrund schon bestehende Vorurteile weiter geschürt. Aus Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Migrationsdiensten weiß ich, dass in der Pandemie viele Ratsuchende mit Zuwanderungsgeschichte vermehrt auch persönliche Schuldzuweisungen erlebt haben.
Welche Bevölkerungsgruppen sind denn besonders von Rassismus betroffen?
Besonders Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Südosteuropa und Asien sowie Flüchtlinge und türkische Familien werden in der Pandemie für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht. Das Feiern von Rave-Partys und Massenrodeln im Sauerland stehen nicht so im Fokus der Medien und geraten schnell zur Randnotiz. Dass etwa prekäre Lebens- und Wohnsituationen von Zugewanderten, die in der Fleischindustrie tätig sind, zur Infektionsverbreitung führen, liegt in der Verantwortung der Unternehmen und der deutschen Gesellschaft bzw. der Politik.
Befeuern Corona-kritische Bewegungen wie die „Querdenker“ oder die AfD rassistische Klischees?
Auf jeden Fall verstärken Querdenker und politische Strömungen am rechten Rand die schon vorhandenen Vorurteile und Klischees und nutzen die Corona-Krise als Bühne für Rassismus und Diskriminierung. Beate Küpper, Professorin an der Hochschule Niederrhein, bringt es treffend auf den Punkt, wenn sie sagt die Corona Krise sei wie geschaffen für Verschwörungstheorien und Rassismus. Sie warnt davor, dass besonders der Rechtspopulismus befördert würde.
Wie wirkt sich Corona auf die Arbeit der Integrationsagentur und der Beratungsstellen aus?
Wir als Migrationsdienste spüren sehr deutlich die Auswirkungen und insbesondere die Einschränkungen in unserer Arbeit mit den Ratsuchenden. Da viele Behörden für die Ratsuchenden mangels genereller Öffnungszeiten und Schließungen schlechter erreichbar sind, erhöhen sich die Unterstützungsanfragen an unsere Beratungsstellen. Unsere Mitarbeitenden können allerdings selbst nur bedingt Präsenzberatungen durchführen und sind auf regelmäßige telefonische Beratung umgestiegen. Dies ist deutlich aufwendiger für alle. Mit Ausfall der Gruppenangebote war es schwierig, unsere Zielgruppen persönlich zu erreichen. Viele Menschen haben seit einem Jahr kaum Möglichkeiten, sich über ihre Sorgen mit anderen auszutauschen. Alte Menschen vereinsamen und die Kinderförderung fällt aus. Frauen wurden wieder auf ihre rein häusliche Rolle zurückgeworfen. Die Angebote zur Stärkung des Empowerments mussten ausfallen. Bildungsferne und arme Familien mit Zuwanderungsgeschichte sind mit der Digitalisierung des Unterrichtes überfordert. Meines Erachtens wurden Integrationsprozesse ausgebremst.
Welche Maßnahmen aus der Politik braucht es, um dem Corona-bedingten Rassismus entgegen zu treten?
Aus unseren langjährigen Erfahrungen in der Migrationsarbeit wissen wir, dass eine abgesicherte finanzielle (vollfinanzierte) und auch kontinuierliche ideelle Unterstützung unserer Arbeit notwendig ist. Einerseits um unsere Ratsuchenden weiterhin unterstützen zu können und andererseits, um die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge zwischen Armut, prekären Wohn- und Arbeitsverhältnisse und Gesundheitsstatus aufklären zu können.
Die Demonstrationen rund um „Black Lives Matter“ fielen genau in die Pandemie. Sehen Sie in Corona auch eine Chance, was die Aufklärung und das Engagement gegen Rassismus angeht?
Als AWO sollten wir die Corona Krise als Anlass nehmen, deutlich darauf hinzuweisen, dass es Rassismus wirklich gibt und wir ihm weiterhin in verschiedenen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen entgegentreten müssen. Insofern bietet die Corona Krise eine Chance zum Positiven.
Grundsätzlich werden in Krisenzeiten unsere gesellschaftlichen Probleme deutlicher. Wir sollten dies nutzen, um nach zu korrigieren.
Was kann jede*r Einzelne gegen Rassismus tun?
Wir müssen uns nach wie vor gegen jede Art von Diskriminierung und Rassismus stellen und verhindern, dass bestimmte Gruppen von Menschen zum Sündenbock in unserer Gesellschaft gemacht werden. Wir müssen aufklären und uns einmischen. Wir müssen uns mit von Diskriminierung betroffenen Menschen solidarisieren und ihnen unsere Unterstützung anbieten.
Quelle: AWO Bezirk Westliches Westfalen
Sehen Sie hierzu auch die Videos der AWO Migrationsdienste mit Menschen, die im Interview von ihren Erfahrungen zum Thema Rassismus berichten: www.awo-rle.de/migrationsdienste