Das Schild an der AWO-Kita „Sternstunde“ in Kamen weist darauf hin, dass sich die Einrichtung am Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ beteiligt. Dieses könnte jedoch schon bald Geschichte sein. Darüber gesprochen haben (v.l.): Geschäftsführer der AWO Ruhr-Lippe-Ems Rainer Goepfert, Einrichtungsleiterin Erika Terstiege, Bundestagsabgeordneter Michael Sacher (Grüne) und AWO-Bereichsleiter Kindertagesbetreuung Daniel Frieling.
Ende der Sprach-Kitas: Aus AWO-Sicht ein großer Fehler
Die AWO RLE teilt ihre Sorgen über das angekündigte Ende des Förderprogramms „Sprach-Kitas“ mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Sacher
Für die AWO RLE war die Nachricht ein Schock: Mitte Juli verkündete das Bundesministerium, dass es im Jahr 2023 keine Förderung für „Sprach-Kitas“ mehr geben soll. Von der Entscheidung sind 26 von den insgesamt 60 Kitas der AWO RLE und rund 2090 Kinder betroffen. Grünen-Politiker Michael Sacher zeigte Verständnis für die Sorgen der AWO.
Seit 2011 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die alltagsintegrierte sprachliche Bildung in der Kindertagesbetreuung. Dabei richtet sich das Programm vorwiegend an Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden. 26 von den insgesamt 60 AWO-Kitas im Kreis Unna, Hamm und dem Kreis Warendorf sind Sprach-Kitas. Allein für das Jahr 2022 erhält die AWO RLE Fördergelder in Höhe von 853.000 Euro, um die 33 Sprachfachkräfte und Fachberatungen zu finanzieren. Etwa 2090 Kinder profitieren von der Arbeit dieser zusätzlichen Fachkräfte. Und damit soll bald Schluss sein? Für Unterbezirks-Geschäftsführer Rainer Goepfert eine nicht nachvollziehbare Entscheidung. Um sich über dieses Thema auszutauschen, lud er den Bundestagsabgeordneten Michael Sacher (Grüne) gemeinsam mit Erika Terstiege (Kita-Einrichtungsleitung) und Daniel Frieling (Bereichsleitung Kindertagesbetreuung) in die Kita „Sternstunde“ in Kamen ein, die eine der 26 AWO-Sprach-Kitas ist.
Beim Gespräch brachten Rainer Goepfert, Erika Terstiege und Daniel Frieling zahlreiche Argumente auf den Tisch, die gegen das Ende des Förderprogramms sprechen. Hier eine Auswahl:
- Ohne Unterstützung durch eine zusätzliche Fachkraft fehlt es den Kitas an zeitlichen Ressourcen und notwendigem Know-how, um die Sprachförderung auf dem qualitativ hohen Niveau zu halten.
- Die Sprachprobleme sind nach wie vor da. Wenn es keine spezielle Förderung mehr gibt, werden in Zukunft noch mehr Kinder mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben. Von Chancengleichheit kann dann keine Rede mehr sein.
- Verschlechtert sich die sprachliche Entwicklung, verringert das auch die Bildungschancen der Kinder – das wiederum sorgt dafür, dass es in einigen Jahren (noch mehr) an geeigneten Fachkräften fehlen wird.
- Viele Kinder sind gerade jetzt auf Sprachförderung angewiesen, weil sie noch die auf die Pandemie zurückzuführenden sprachlichen Defizite aufarbeiten müssen.
- Müssten die Erzieher*innen zusätzlich die Arbeit der wegfallenden Sprachfachkraft auffangen, würde sie das an ihre Grenzen bringen. Diese Mehrbelastung würde der Attraktivität des Berufs schaden und damit den Fachkräftemangel in diesem Bereich befördern.
- Das kurzfristige Auslaufen der Förderung erschwert es ungemein, darauf mit einer guten Lösung oder Alternative zu reagieren.
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Es könnten noch zahlreiche weitere Argumente genannt werden. Am Ende bringt Einrichtungsleiterin Erika Terstiege es auf den Punkt: „Es geht hierbei um die Kinder – die unsere Zukunft sind!“ Genau deshalb liegt es der AWO RLE so am Herzen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Ende des Programms zu verhindern. „Und wenn wir am Ende zum Protestieren auf die Straße gehen müssen, dann werden wir auch das tun!“, bekräftigt Geschäftsführer Rainer Goepfert.
Michael Sacher zeigt Verständnis für Sorgen der AWO
Nachdem sich MdB Michael Sacher vor Ort ein Bild von einer AWO-Sprach-Kita gemacht und sich die Sorgen der AWO angehört hatte, zeigte er sich verständnisvoll: „Ich kann voll und ganz nachvollziehen, dass das Ende des Förderprogramms ein großer Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung mit weitreichenden Folgen wäre. Besonders ärgerlich ist, dass die Förderung so kurzfristig auslaufen soll.“ Obwohl das Thema nicht zu 100 Prozent in seinen Zuständigkeitsbereich falle, wolle er sich diesbezüglich mit seinen Kolleginnen und Kollegen austauschen. „Hierbei geht es nicht darum, der AWO einen Gefallen zu tun, sondern die Chancengleichheit und die Qualität der frühkindlichen Bildung aufrechtzuerhalten.“
Für die AWO ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung: „Uns ist es wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen und mit den Politiker*innen unserer Region in den Austausch zu treten“, sagt Rainer Goepfert.