„Licht gegen das Vergessen“ leuchtet weiter

AWO-Stadtverband Kamen und Vertreter aus Politik und Kirche erinnern an die Katastrophe von Tschernobyl und ihre Opfer

39 Jahre plus wenige Stunden nach dem Super-GAU in Tschernobyl trafen sich engagierte Bürgerinnen und Bürger in der Stadthalle in Kamen, um der Katastrophe und ihrer Opfer zu gedenken. Der 2. Vorsitzende des AWO-Ortsvereins Kamen-Mitte Jürgen Schlegel hatte erneut „Ein Licht gegen das Vergessen“ angezündet und das Treffen am frühen Abend organisiert. Die Gäste vertraten verschiedene Parteien und Konfessionen, Generationen und Kulturen – doch alle einte ein Wunsch: „Nie wieder!“

„Es geht darum, dieses kollektive ,Nie wieder‘ lebendig zu halten“, betonte der evangelische Pfarrer Niklas Peuckmann. Kamens Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) sprach von einer „Mahnwache gegen das Vergessen“. Alle Anwesenden dankten dem Organisator Jürgen Schlegel für sein langjähriges Engagement in Sachen Tschernobyl – ein Engagement, das den heute 81-Jährigen seit vielen Jahren in Atem hält.

Überlebenden der Katastrophe Therapien und Erholung ermöglicht

Jürgen Schlegel lernte bereits viele Menschen aus der Ukraine und Belarus kennen, die unter den Folgen der Explosion, der darauffolgenden intensiven radioaktiven Strahlung und den daraus resultierenden Erkrankungen litten und leiden. Er und viele andere aus der AWO sowie weitere Ehrenamtliche gründeten in Kamen eine Tschernobyl-Hilfe. Sie ermöglichten bereits Hunderten von Kindern und Familien Erholungsaufenthalte, die nach Kamen, aber auch ans Meer führten. Zusätzlich organisierten sie medizinische Aufenthalte und sammelten Spenden für Krebstherapien. Sie pflanzten in Gedenken an die Opfer eine Eiche beim SportCentrum Kamen-Kaiserau, brachten ein Mahnmal daneben an, organisierten Ausstellungen und weitere Veranstaltungen.

Tschernobyl darf nicht vergessen werden, zeigten alle Anwesenden sich einig. Bürgermeisterin Elke Kappen und Oliver Kaczmarek, Vorsitzender der AWO Ruhr-Lippe Ems und MdB für die SPD, erinnerten an die weiterhin aktiven Kernkraftwerke in der Ukraine – sie könnten jederzeit angegriffen und beschädigt werden.

Elke Kappen schlug einen Bogen vom Super-GAU des 26. April 1986 zum Krieg in der Ukraine heute. „Wir sind alle in Gedanken bei den Menschen in den Kriegsgebieten“, merkte sie an. Sie hob hervor, wie viele Geflüchtete die Stadt Kamen heute bereichern und Teil der Stadtgesellschaft sind.

„Wir bräuchten mehr AWO, mehr Jürgen Schlegels“, hob als weiterer Redner der Landrat Mario Löhr (SPD) hervor. Er merkte kritisch an, dass trotz der Erinnerung an Tschernobyl aktuell „wieder über Atomwaffen diskutiert“ werde – sehr zur Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger.

Ralf Eisenhardt, CDU-Bürgermeisterkandidat, verwies darauf, dass die Detonation einer Atombombe noch weitaus drastischere Auswirkungen hätte als ein Unglücksfall wie jener in Tschernobyl. Er sprach den Menschen in der Ukraine seinen großen Respekt aus.

An die ersten Opfer der Nuklearkatastrophe, allen voran die im Kernkraftwerk Arbeitenden und die erste Hilfe Leistenden, erinnerte Annette Schmidt, Sprecherin des Ortsvereins Kamen der Grünen. Wie viele Krankheiten und Todesfälle der GAU letztendlich nach sich zog – auch weiter vom Reaktor entfernt, auch hierzulande – wisse man nicht. Wenigstens gelte: „Unser Land hat aus der Erkenntnis, dass das unkontrollierbar ist, Konsequenzen gezogen“.

Mit Brückenbauen und Musik

Der katholische Pfarrer Meinolf Wacker gab den Gästen ein Zitat des verstorbenen Papstes Franziskus mit auf den Weg: „Baut Brücken, keine Mauern!“. Er rief das Publikum dazu auf, solche Brücken dann auch gemeinsam zu begehen: „Und betet um viele weitere Jahre des Brückenbauers Jürgen Schlegel!“

Jürgen Schlegel freute sich sichtlich über die vielen Dankesworte – doch noch mehr darüber, wie die Solidarität mit den Opfern der Nuklearkatastrophe sowie mit den Menschen in bzw. aus der Ukraine alle Anwesenden bewegt. Zwei junge Ukrainer, Glib Shpakovskyi und Yaroslava Yevdokymova, gaben der Gedenkveranstaltung den passenden musikalischen Rahmen. Sie sangen und spielten ukrainische Lieder – mal wehmütig, mal fröhlich, immer aus ganzem Herzen.

Alles spricht dafür, dass 2026, wenn die Katastrophe in Tschernobyl sich zum 40. Mal jährt, erneut „Ein Licht gegen das Vergessen“ angezündet wird. Oder genau genommen: viele Lichter. „Wir werden das Vierzigjährige in würdigem Rahmen begehen“, stellte Oliver Kaczmarek in Aussicht.